„Passt auf euch und die Demokratie in Deutschland auf“, ruft der sichtlich ergriffene Johann Olschewski den zahlreichen Gästen zu. Herr Olschweski befindet sich vor genau jenem Haus, das ihm vor 80 Jahren nach der Bombardierung seiner Heimatstadt Emden zunächst Zuflucht bot und ihn dann zum Augenzeugen der Ereignisse um das Konzentrationslagers in Engerhafe machte. Alle Umstehenden lauschen Herrn Olschewski gebannt. Nach der Schlüsselübergabe zur Eröffnung der Gedenkstätte Engerhafe warteten sie darauf, das renovierte Pfarrhaus und die neue Dauerausstellung zu besichtigen.
Vor wenigen Minuten noch gab es feierliche und besorgte Reden der geladenen Gäste, die alle die große Bedeutung der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit in Zeiten eines wieder aufflammenden Rassismus betont hatten. Herr Olschewski war trotz seiner 92Jahre aus Emden angereist und hatte in der ersten Reihe sitzend der Eröffnung still beigewohnt. Was er in jener dunklen Zeit im November und Dezember 1944 aus dem alten Pfarrhaus in Engerhafe beobachtet hatte, hat ihn bis heute nicht mehr losgelassen und so war er auch dieser Einladung gefolgt.
2017 hatte Herr Olschewski in einem Interview, das nun auch in Auszügen in der Ausstellung zu hören ist in aller Ausführlichkeit von jenen Ereignissen berichtet. Ereignisse, die ihn nachts bis in die Träume verfolgten, aber die sein Umfeld zeitlebens nie hören wollte. Wie im Pfarrgarten, wo er Beeren naschte und seine Kaninchen züchtete, auf einmal ein elektrisch geladener Stacheldrahtzaun verlegt wurde, wie auf dem Sportplatz seiner Volksschule ein Wachturm und Appellplatz des Konzentrationslagers errichtet wurden und auf einmal 2000 elendige Gestalten direkt hinter seinem Haus litten und zu überleben versuchten. Er und seine Freunde sahen den Hunger und die Gewalt durch Aufseher und Wachleute, das Sterben und die immer häufiger werdenden, eiligen Begräbnisse auf dem Friedhof nebenan. Und vor allem blieb das lange und beharrliche Schweigen nach dem Krieg.
„Dort in dem Haus habe ich gewohnt“, sagt Johann Olschewski beinahe ungläubig. Es folgt ein stetig lauter werdender und spontaner Appell zur Eröffnung der Gedenkstätte Engerhafe: „Passt auf euch auf, auf euch und auf euer Deutschland. Ich habe den Krieg mitgemacht. Ich habe gesehen, wie sie die Menschen kaputt gemacht haben. Passt auf euch und die Demokratie in Deutschland auf.“